»Sie gehen aber fleißig spazieren.«
Um die Geschichte der Alban Berg Villa zu rekonstruieren, müssen wir ganz auf den Anfang zurückspringen, nämlich zu Anna Nahowski.
Anna Nahowksi (geb. Nowak, 1830-1931) wurde im jungen Alter von 15 Jahren auf Wunsch ihrer Mutter mit dem Seifenfabrikanten Johann Heuduck verheiratet, der sich jedoch nur wenig um sie kümmerte und an einer Spiel- und Alkoholsucht litt. Rund ein Jahr nach ihrer Vermählung, 1875, traf die junge Anna bei einem früh morgendlichen Spaziergang durch den Schlosspark Schönbrunn den fast 30 Jahre älteren Kaiser Franz Joseph, welcher sie mit den Worten »Sie gehen aber fleißig spazieren« begrüßte — die beiden trafen sich von nun an regelmäßig, und so nahm die Geschichte ihren Lauf.
Anna Nahowski.
Drei Jahre später trennte sich Anna von ihrem Johann und hinterließ diesem einen hohen Geldbetrag, der wohl auf die geheime kaiserliche Affäre von Anna zurückgeht. Anna heiratete erneut, diesmal einen Beamten der Südbahngesellschaft, Franz Nahowski. Doch auch diese Ehe war nicht von Glück geprägt, weshalb die mittlerweile regelmäßigen Besuche des Kaisers eine willkommene Abwechslung für Anna waren. Seiner finanziellen Großzügigkeit war es auch zu verdanken, dass sich die Nahowskis ein Anwesen im steirischen Kurort Trahütten leisten konnten.
Am 29. Juli 1885 bringt Anna ein Mädchen namens Helene zur Welt, die spätere Frau von Alban Berg. Es wird angenommen, dass Helene die Tochter des Kaisers ist sowie eventuell noch ein weiteres Kind der insgesamt fünf Kinder von Anna. Nach über 10 Jahren, am 14. März 1889, beendete der Kaiser Franz Joseph schließlich das Verhältnis der beiden. Sein Vermögensberater verkündete Anna das Ende ihrer Liaison und der Kaiser lies ihr abermals 200.000 Gulden (heute ca. zwei Millionen Euro) zukommen, genug für die Anschaffung einer Villa. Seine geforderte Gegenleistung: Stillschweigen über ihre Begegnung.
Anna Nahowski stirbt 1931 im Alter von 71 Jahren in Wien. Ihre Erinnerungen aber hielt sie sorgsam in Tagebüchern fest, welche ihre Tochter Helene der in der Österreichischen Nationalbibliothek befindlichen Alban-Berg-Stiftung überreichte und die 1976 der Öffentlichkeit freigegeben wurden.
»Sommerfrische« auf 994m; oder ein »Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit«.
Die auffällige, im Jugendstil gehaltene Villa in Trahütten wurde von den Nahowskis regelmäßig in den Sommermonaten genutzt. Nichts Ungewöhnliches für den Adel und die Bürgerlichen im 19. Jahrhundert, eine »Wohnung auf dem Lande, die man im Sommer bezieht« versprach eine wohltuende Abkühlung von der stickigen Stadt. Errichtet wurde die Villa 1845 von Freiherr von Kalchberg als einfaches Blockhaus und anschließend von Fürst Franz und Henriette Liechtenstein erweitert und in ein Jagdhaus umgebaut. 1893 gelangte die Villa schließlich in den Besitz der Familie Nahowski.